4 Innere Techniken zur Zentrierung

Wenn man zu viel fühlt...

Ich liebe meine Gefühle. Ich fühle mich durch sie lebendig und lebe sie gerne ausgiebig aus.

Aber manchmal werden sie mir zu viel. Da gewinnen sie die Überhand, halten mich von Wichtigem ab, das ich machen möchte. Dann verliere ich meine Mitte, fühle mich meinen eigenen Gefühlen ausgeliefert. Gut, wenn ich dann immerhin für mich bin. Dann kann ich ins Gefühl eintauchen und die Gefühlswelle auslaufen lassen. Doch was kann man machen, wenn einem in der Öffentlichkeit die Tränen in die Augen schießen? Anhand einer Anekdote möchte ich teilen, wie ich mir im Wesentlichen über den Körper in solchen Situationen helfe.

 

Russland hatte seit 14 Tagen die Ukraine angegriffen, da las ich bei einer Solidaritäts-Lesung aus einem ukrainischen Roman, der 2018 im Donbass spielte. An der Stelle, wo erzählt wurde, wie 2014 der Krieg ausbrach und wie die Menschen nach und nach flohen, riss es mich. Mir schossen ob der Parallelität zur Gegenwart die Tränen in die Augen. Meine Stimme hielt einigermaßen, aber durch die Tränen verschwammen die Buchstaben zur Unkenntlichkeit. Ich mußte unterbrechen. Im mit Publikum gefüllten Saal war es mucksmäuschenstill, sie sahen mir zu, wie ich mit den Tränen rang. Aber ich wollte weitermachen. Ich formulierte, wie es mir ging und bekam Applaus. Ich atmete tief in meinen Bauch. Ich setzte mich aufrechter und spürte in meine Wirbelsäule. Und ich versuchte meine Füße besser zu spüren, bewegte sie in den Schuhen unter dem Tisch. Ich wurde wieder zentrierter. Kurze Gedanken schossen durch meinen Kopf: Was denken die jetzt alle über mich? Diese Gedanken schob ich bei Seite. Ich führte mir stattdessen vor Augen, warum ich da war. Um die Menschen, die gekommen sind, den Text hören zu lassen. Darauf konnte mein Geist fokussieren.

Ich bedankte mich bei den Veranstalter*innen, dass Sie mich eingeladen hatten. Und konnte weiterlesen.

Vermutlich hat die Wirkung des Textes, den zu Lesen ich eigentlich da war, etwas gelitten und meine Befindlichkeit, die in dem Fall wahrscheinlich die eine oder der andere im Saal teilen konnte, trat zeitweise in den Vordergrund. Doch ich konnte weitermachen. Dank der Fokussierung auf andere Ebenen in meinem Körper.

 

Hier nochmal die Instrumente, die ich angewendet habe, im Überblick:

 

1. Tief in den Bauch atmen.

Hochschießende Emotionen bringen uns meist in den oberen Teil unseres Körpers. Wir verlieren unsere Mitte, unsere Zentriertheit. Tief und langsam in den Bauch zu atmen hilft, die Energie wieder in den unteren Bereich zu lenken, das Zwerchfell energetisch nach unten zu öffnen. Du kannst auch dazu noch langsamer ausatmen als einatmen. Das entspannt Dich zusätzlich.

 

2. In die Wirbelsäule spüren.

Emotionen finden meist im vorderen Teil unseres Körper statt. In Deinen Rücken zu spüren, besonders in die knöcherne Struktur der Wirbelsäule, hilft Dir, die Gefühle weniger stark wahrzunehmen. Im Sitzen ist es gut, sich aufzurichten und die Sitzknochen auf der Stuhlfläche zu spüren.

 

3. In die Füße spüren.

Auch diese Technik hilft Dir, Dich zu erden und zu zentrieren. Falls Du stehst, gehe ein paar Schritte und fühle die Erde unter Deinen Füßen. Falls Du sitzt, bewege die Füße in Deinen Schuhen

 

4. Den Geist fokussieren.

Warum bist Du da? Was ist Deine Aufgabe, was möchtest Du erreichen. Vertröste störende Gedanken und Gefühle auf später und fokussiere Deinen Geist.

 

 

Vielleicht profitierst auch Du von den jüngst wieder von mir erprobten Instrumenten. Vielleicht hast Du eigene entwickelt. Lass sie mich gerne wissen.

 

Deine

 

Cornelia Morgenroth