„Und wie fühlt sich das an?“ Das (Vor-)Gespräch im Shiatsu

Manche Menschen sind etwas erstaunt, dass ich vor der Shiatsu-Behandlung ein relativ ausführliches Gespräch mit ihnen führe.

 

„Worum geht es Ihnen bei der Behandlung, was ist Ihre Motivation zu mir zu kommen, was erhoffen Sie sich vom Shiatsu, geht es um konkrete Beschwerden, wie sind die für Sie und was bedeuten sie für Sie, seit wann sind die Beschwerden, was war noch zu dieser Zeit in Ihrem Leben, wie ist Ihr Schlaf, wie die Verdauung, was machen Sie am liebsten, … Haben Sie noch Fragen?“

Das sind nur einige der Fragen, die ich Ihnen stelle, bevor wir „auf die Matte“ gehen.

 

Ein Ziel ist es, ein skizzenhaftes Bild vom ganzen Menschen zu bekommen, nicht nur die Beschwerden und Schwächen, die oft genug im Fokus stehen, sondern auch die Stärken, Ressourcen und die Schönheit des Menschen wahrzunehmen.

 

Manche Menschen sind sehr wortkarg in diesen Gesprächen. Sie scheinen nicht zu mir gekommen zu sein, um zu sprechen. Sie wollen in erster Linie behandelt werden. Sie sind es nicht gewohnt, einer ihnen unbekannten Frau relativ private Dinge zu erzählen. Manche Menschen erzählen erst nach dem Shiatsu die wesentlichen Dinge. Als ob sie ihnen vorher nicht eingefallen wären vor lauter Alltag. Der Geist anderer sprudelt viele Geschichten heraus; sie kommen vom Hundertsten ins Tausendste und verlieren sich in Details, die allerdings für sie wichtig sind. Manche kommen mit einer medizinischen Diagnose Die ist für mich wissenswert. Viel interessanter finde ich aber auch hier, wie der Mensch es für sich wahrnimmt. Das ist sehr individuell. Wie fühlt sich das, was die Schulmedizin als xy bezeichnet, für Sie an?

 

Denn ein weiteres Ziel des Vorgesprächs ist es, mein Gegenüber zum Spüren zu führen. Mein Ansatz ist immer wieder die Frage: Wo spüren Sie das in Ihrem Körper und wie fühlt sich das an? Denn der Körper ist freier von Konzepten, die unser Denken bestimmen, freier von Ansichten, Meinungen, Bewertungen der Vergangenheit oder Sorgen über die Zukunft. Der Körper führt uns ins Hier und Jetzt. Wie ist es jetzt, wie fühlt es sich an?

 

Manchmal gilt es nach der Frage eine Stille auszuhalten. Denn es ist so viel wertvoller, wenn der Mensch seine eigenen Worte oder Vergleiche findet für das, was in ihm/ihr vorgeht. Dann kommen Bilder, die ich mir nicht hätte ausdenken können und die voll sind von wertvollen Informationen über das, was in dem Menschen vorgeht. Mit diesen Bildern weiter zu arbeiten, in ihnen weiter zu fragen und zu denken, führt oft zu erstaunlichen Erkenntnissen.

Manche Klient*innen genießen das Gespräch sehr. Nach einigen Behandlungen nutzen sie den Weg zu meiner Praxis schon, indem sie sich selbst fragen, wie sie sich gerade fühlen, was denn diesmal für sie wesentlich ist, was sie in den Fokus stellen möchten. Sie kommen durch das Gespräch zu einer Klarheit. Nicht unbedingt einer Klarheit der Antwort, aber vielleicht der Frage. Und möglicherweise kommt die Antwort dann während der Behandlung.

 

Nach dem Shiatsu frage ich, wie Sie sich jetzt fühlen. Viele sagen „Gut.“ oder „Sehr gut!“. Ich möchte es genauer wissen. Es gibt abertausend und eine Million Möglichkeiten, wie Sie sich fühlen können. Was genau ist das, was Sie da als gut bewerten? Wie ist es Hier und Jetzt?

Und meine Frage ist ernst gemeint und sehr offen. Ich möchte, dass Sie Worte finden für das, was Sie in sich wahrnehmen. Dabei habe ich keine „richtige“ Antwort im Sinn. Alles, was Sie wahrnehmen ist richtig. Es gibt da kein richtig oder falsch, außer die Worte stimmen für Sie noch nicht und Sie haben noch nicht den richtigen Ausdruck für Ihr Inneres gefunden.

 

Und manchmal ist es auch besser, nach dem Shiatsu gar nicht zu reden. Weil man noch so wunderbar im Spüren ist, in diesem Zwischenreich, wo Worte nicht wichtig sind.

Genießen Sie diesen Zustand!